SVTL, Industrie 5.0 – Revolution oder Marketing?

Industrie 5.0 – Revolution oder Marketing?

Der Roboter bringt’s

Da hat man sich gerade an Industrie 4.0 gewöhnt. Und jetzt spricht die Intralogistik von Industrie 5.0 mit robotergestützten Kommissioniersystemen. Ein leerer Begriff aus der Marketingwelt oder steckt etwas Gehaltvolles dahinter?

SVTL, Industrie 5.0 – Revolution oder Marketing?

Mensch und Roboter – das ist seit jeher eine ambivalente Beziehungskiste. Befürworter der Liaison schwärmen vom fruchtbaren Miteinander, Kritiker rufen das Schreckgespenst einer unkontrollierbaren Technik-Apokalypse hervor. Hier das Begehren nach Effizienz und Entlastung, dort die Furcht vor Arbeitsplatz- und Autonomieverlust.

Wo positioniert sich die Intralogistik?

Die Intralogistik hat die Diskussion um Fluch oder Segen der Robotik längst für sich beantwortet. In immer mehr Chefetagen setzt sich die Überzeugung durch, dass konkurrenzfähige Lager ebenso wenig auf Roboter verzichten können wie auf ein modernes Warehouse- oder Warenwirtschaftssystem. Die Angst vor wild gewordenen Maschinen, die den in allen Belangen unterlegenen Menschen ihre Arbeitsplätze streitig machen, hat sich verflüchtigt. Ein Blick in die Jobbörsen zeigt, dass Menschen in den Lagern nach wie vor unabkömmlich sind.

Autonome Skypod-Roboter von Exotec

Aus dem vermeintlichen Wettbewerb zwischen Mensch und Roboter hat sich ein arbeitsteiliges Miteinander entwickelt, das dem Grundsatz folgt: Eintönige und belastende Tätigkeiten erledigt der Kollege aus der Robotik-Abteilung. Ganz in diesem Sinne hat das Robotikunternehmen Exotec sein Skypod-System konzipiert. Man begegnet ihm meist in Logistikanlagen mit mindestens 3.000 Lagerplätzen und mit mehr als 250 Kommissionieraufträgen pro Stunde – beispielsweise in der E-Commerce- und Modebranche. Nach oben sind der Systemgröße keine Grenzen gesetzt: Der Bekleidungsspezialist Uniqlo betreibt in Japan ein Exotec-Lager, das auf 12.000 Kommissionieraufträge pro Stunde kommt.

Das Herzstück eines Skypod-Systems bilden mobile Roboter (Skypod), die sich autonom bewegen und Regale hochklettern. Dort holen sie bis zu 30 Kilogramm schwere Behälter oder Trays ab und befördern sie zur Kommissionierstation, wo Gelenkarmroboter (Skypicker) und Menschen die Versandkartons im Teamwork füllen.

Attraktive Arbeitsplätze schaffen

In solchen Lagern kehrt sich das lange kultivierte Robotik-Unbehagen ins Gegenteil: Heute sind es gerade die Roboter, die Arbeitsplätze im Lagerumfeld attraktiver gestalten. Denn sie nehmen den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die körperliche Anstrengung ab. Roboter erzeugen sogar einen gewissen Komfort, indem sie den Kommissionierern alle Artikel zu ihrem Tisch bringen (Goods-to-person). Gleichzeitig entstehen in Lagern mit Robotik neue, anspruchsvolle Tätigkeitsfelder für Menschen – etwa im Warehouse-Management oder im Bereich der Anlagen- und Systemwartung. Auch einen Sicherheitsaspekt sollte man bei der Bewertung von robotergestützten Kommissioniersystemen beachten: Wo ausschließlich autonome Roboter verkehren, sind Zusammenstöße von Mensch und Stapler ausgeschlossen.

Von der Automatisierung zur Robotik

Auch wenn Robotikkonzepte vieles gemein haben mit konventionellen Automatisierungslösungen: Sie sind ihnen deutlich überlegen. Die klassischen Leistungsträger der Automatisierung, wie etwa Regalbediengeräte oder schienengeführte Transportsysteme, besitzen einen begrenzten Aktionsspielraum. Anders die Roboter, sie kommen „überall hin“.

 

Flexibel in Peak-Zeiten

Beim Skalieren beweisen robotergestützte Kommissioniersysteme à la Exotec ebenfalls ihre Vorzüge. In Zeiten, in denen viel über die Resilienz von Lieferketten geredet wird, weisen Robotikkonzepte neue Wege, sich auf schwankende Auftragslagen einzustellen. Zu Peak-Zeiten setzt das Lager eine größere Anzahl von Robotern ein und zieht sie anschließend wieder aus dem Verkehr. Ihr schneller Wechsel im Plug-and-Play-Verfahren erleichtert die Wartung oder Reparatur von Skypod-Robotern. Für die Dauer ihrer Auszeit lassen sie sich einfach ersetzen.

Lagerkapazitäten erweitern

Der Ausbau von Lagerkapazitäten geht in einem robotergestützten Kommissioniersystem in der Regel störungsfrei vonstatten. Während in dem einen Bereich des Lagers eine neue Regalreihe errichtet wird, an dem schon bald die Skypod-Roboter rauf- und runterklettern, läuft im restlichen Lager der Betrieb normal weiter. Ergänzend bietet Exotec die Skypath-Fördertechnik an: Per Plug-and-Play werden die vorverkabelten Module (Geraden, Kurven, Transfertische) zusammengesteckt. Das geht fix: 500 Meter Förderbänder sind in 200 Stunden fertig installiert.

Von Industrie 4.0 zu Industrie 5.0

Der kontinuierlich steigende Einsatz von Robotik im Kommissionierlager beschleunigt einen Trend, für den sich mehr und mehr der Begriff Industrie 5.0 durchsetzt. Als um 2010 erstmals von Industrie 4.0 die Rede war, glaubten viele, dass mit Digitalisierung und Internet der absolute Höhe- und Endpunkt der industriellen Revolution erreicht sei. Gerade mal zehn Jahre später widmet die Europäische Kommission dem Thema Industrie 5.0 eine fast 50-seitige Abhandlung (Industry 5.0 – Towards a sustainable, human-centric and resilient European industry). Darin stellt sie das Wohlergehen der Industriearbeiter in den Mittelpunkt des Produktionsprozesses. („Placing the wellbeing of the industry worker at the centre of the production process“, Seite 3.)

Kein Marketing-Blabla

Demnach entsteht durch die fortschreitende Vernetzung von Mensch und Roboter eine neue Form der Kollaboration. Sie verschafft dem Lagerpersonal ergonomische Arbeitsbedingungen und eröffnet Unternehmen die Aussicht auf einen noch flexibleren Einsatz ihrer humanen und technischen Ressourcen. Immer mehr macht sich die Gewissheit breit, dass Industrie 5.0 keine Phantasievokabel aus dem aufgeblähten Marketing-Blabla ist, sondern ein passender Begriff für das, was sich da – gerade in Lagern – an revolutionärer Veränderung vollzieht.

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