SVTL Ofenhock – „Intelligente Systeme im Fokus“
Vorwort
Liebe Mitglieder, Fördermitglieder und SVTL-Freunde!
Der diesjährige Ofenhock des SVTL im Schützenkeller in Rheinfelden hat eines sehr deutlich gezeigt: Im Zentrum jeder noch so modernen Technologie steht und bleibt der Mensch – als grösster Erfolgsfaktor, aber leider auch als wichtigste Fehlerquelle.
Gemeinsam mit unseren Mitgliedern und Gästen – darunter neue Mitglieder wie Nordfrost und Cooling Vans – haben wir darüber diskutiert, wie weit Digitalisierung, Automatisierung und KI uns in der temperaturgeführten Logistik bereits unterstützen können, wo ihre Grenzen liegen und weshalb eine «Human Firewall» und gesunder Menschenverstand wichtiger sind denn je.
Die folgenden Eindrücke fassen die spannenden Referate zu intelligenter Tourenplanung, Multi-Temperatur-Lagerlösungen, smarter Remote-Unterstützung und Cyber-Security zusammen und zeigen, wohin sich unsere Branche bewegt – wenn wir Technik als Assistenz verstehen und Verantwortung beim Menschen bleibt. Hier nochmals ein ganz grosses Dankeschön an unsere Gastreferenten: Marcel Hangartner, Stefan Mahler, Günter Huhle und Thomas Schlienger!
Zum Schluss möchte ich mich im Namen des SVTL herzlich bei allen Mitgliedern und Partnern für ihre Teilnahme, den offenen Austausch und die Unterstützung im vergangenen Jahr bedanken. Wir wünschen Ihnen frohe Festtage, gute Gesundheit und freuen uns auf ein starkes, gemeinsames 2026 in der temperaturgeführten Logistik.
Beste Grüsse,
Christian Pauli, Geschäftsführer
Hauptfehlerquelle bleibt der Mensch
Dass der Hauptfaktor, aber auch die grösste Fehlerquelle in der Logistik immer noch der Mensch ist, Cyber-Erpressung schon der drittgrösste Posten in der Weltwirtschaft, und Kühltechnik nicht von «KI» beherrscht, sondern auch hier nur Assistenz sein sollte, zeigte der jüngste «Ofenhock» des SVTL in Rheinfelden.
In Anwesenheit zahlreicher Teilnehmer und neuer Mitglieder wie «Nordfrost» und «Cooling Vans» widmete sich der Schweizerische Verband für Temperaturgeführte Logistik aktuellen Entwicklungen und praktischen Anwendungen moderner Technologien von der intelligentenTourenplanung über Automatisierung bis hin zu Cyber-Sicherheit.
Wer sich nicht transformiert...
Mit Marcel Hangartner von der Descartes STEPcom AG ging es zum Auftakt auch um die Art und Weise, in der Wissen um die Notwendigkeit der digitalen Transformation und Automatisierungs-Möglichkeiten vermittelt wird. Hangartner, Teil der weltweit mit rund 2000 Partnern agierenden Logistik-Software-Beratungsgruppe «Descartes Systems», wagte mit zwei in der Art von «Märchengestalten» zu Rate gezogenen Protagonisten den Brückenschlag von der praktischen, nicht akademischen Logistik zu anspruchsvolleren Lösungen für Tourenplanung und Flotten-Management.
«Wer sich nicht transformiert, verliert Kunden», so Hangartner. Neue Kunden zu gewinnen, sei im Übrigen statistisch gesehen «siebenmal schwieriger», als Altkunden mit sinnvollen Vorschlägen und Weiterentwicklungen bei der Stange zu halten. Elektronischer Daten-Austausch (EDI) sei eine der wichtigen Möglichkeiten.
Stefan Mahler, Managing Director von Swisslog Schweiz, berichtet über das «Tri-Temperature Management», mit dem Swisslog in einem gemeinsamen Projekt mit dem Lebensmittel-Distributor «La Réserve des Saveurs» 2024 in Paris sogar einen «Kings of the Supply Chain»-Award gewann. Weltweit eine der ersten Anlagen, die Warenströme mit drei verschiedenen Temperaturen verarbeitet.
Zwei Systeme verbunden
Swisslog zufolge werden hierfür zwei Systeme nebeneinander angeordnet und durch ein Förderband verbunden, das vom SynQ WMS/WCS gesteuert wird – eines für Umgebungstemperatur, das andere für Frischprodukte mit zwei Tiefkühlmodulen. Die Kommissionierung und Nachschubversorgung erfolgen an
Das automatisierte System habe es La Réserve des Saveurs ermöglicht, die Bereitstellungrate von 55 auf 290 Positionen pro Stunde und damit eine Produktivitätssteigerung von 400 % zu erzielen. Ein hochintelligentes System, zu dem Stefan Mahler allerdings gleichzeitig auch anmerkt: «Von unseren rund 3000 Mitarbeitenden weltweit ist inzwischen jeder Dritte auf irgendeine Weise mit KI befasst. (…) Wir wollen aber nicht, dass eine KI den Kernbereich unseres Lagersystems kontrolliert». Das soll immer noch mit gezielten Algorithmen geschehen. Was nicht daran hindert, Robotarme beim Kommissionieren Griffpunkte per Künstliche Intelligenz optimieren zu lassen.
«Eine echte Revolution»
Dank der Multi-Temperatur-Lösung habe La Réserve des Saveurs seine Betriebsabläufe verbessern, die eigene Lagerkapazität optimieren, die Lieferzeit für Bestellungen auf weniger als einen halben Tag reduzieren und gleichzeitig seinen CO₂-Fussabdruck verringern können. «Eine echte Revolution für unser Unternehmen. Es verbessert nicht nur unsere Effizienz erheblich, sondern reduziert auch unseren CO₂-Footprint», lässt sich Alexandre Grandjean, Geschäftsführer von La Réserve des Saveurs zitieren. (Video auf https://youtu.be/LKKN87fuDzU )
Sofortige Unterstützung
Hitverdächtig auch das Smart-Assist-System, eine moderne Lösung für die digitale Echtzeit Unterstützung im Kundenservice und den technischen Support, die Günter Huhle, Gründer und Inhaber eines Unternehmens namens Corevas, gemeinsam mit Tore-Hersteller Efaflex erläutert. Über eine sichere Live-Videoverbindung per Handy ermöglicht das System eine direkte, visuelle Kommunikation zwischen Kunden, Servicetechnikern und Fachexperten – ganz ohne Vor-Ort-Termin, vor allem jedoch ohne grossartigen technischen Aufwand. Ursprünglich sei das System eine Emergency-Technologie für Blaulicht-Organisationen gewesen. Inzwischen leiste es auch wertvolle Dienste für kritische Infrastrukturen, Energiezentralen, in der Bau-Überwachung oder bei der Regie von Montage-Arbeiten.
Efaflex hat das System gemeinsam mit Huhle´s Corevas weiterentwickelt, um von einer Zentrale aus praktisch sofortige Unterstützung leisten zu können, Reisekosten und Ausfallzeiten zu reduzieren. Im Live-Chat ist sogar die Synchronübersetzung in derzeit 24 Sprachen möglich, können unter Einhaltung von Sicherheitsmassnahmen des Datenschutzes DSGVO-konform jederzeit weitere Experten, Dritt- und Viertmeinungen in Konferenzschaltunghinzugezogen werden.
«Human Firewall»
Thomas Schlienger, CEO der TreeSolution Consulting GmbH, lenkt den Blick auf die immer noch grösste Schwachstelle aller Bemühungen um Transformation und Digitalisierung: den Menschen. Auf 10,5 Billionen Euro wird der Schaden geschätzt, den Angriffe auf Rechner und Systeme seit fast zehn Jahren, angefangen bei NotPetya in 2017, anrichten.
Mit Mafia-Methoden würden durch Fremdverschlüsselung und Lösegeld-Forderungen mittlerweile Umsätze erzielt, die inzwischen diejenigen der grössten Weltwirtschaften erreichten. Immer neue, automatisch arbeitende Abwehrsysteme und Anti-Viren-Programm allein seien nicht ausreichend. Bitter nötig sei auch eine «Human Firewall», die solche Risiken senke, indem die Mitarbeitenden in «Security Awareness», der Wahrnehmung etwaiger Gefahrenquellen geschult werden.
45 Prozent aller schweizerischen Logistik- und Speditions-Unternehmen seien mindestens schon einmal von Hacker-Angriffen betroffen gewesen, so Schlienger. Es gebe allerdings immer noch viele, die das Thema Cyber-Sicherheit nicht sonderlich ernst nähmen. CEOs und Mitarbeitende hätten die Dringlichkeit erhöhter Vorsicht vielfach schon begriffen. «Wo es oft fehlt», so Schlienger, «ist meist das mittlere Management».
Quellen:
Text: SVTL & Klaus C. Koch
Photos: SVTL & Klaus C. Koch